Endstation Sehnsucht

A Streetcar Named Desire

Platz 97
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(USA, 1951)

Regie: Elia Kazan
Drehbuch: Tennessee Williams & Oscar Saul
Kamera: Harry Stradling Sr.
Musik: Alex North
Schnitt: David Weisbart
Produktion: Charles K. Feldman

Darsteller: Vivien Leigh, Marlon Brando, Kim Hunter, Karl Malden, Rudy Bond, Nick Dennis, Peg Hillias, Wright King & Richard Garrick

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Endstation Sehnsucht gehört zweifellos zu den gelungensten Verfilmungen eines Theaterstücks überhaupt. Er ist ein imposantes Highlight der Schauspielkunst und nicht wenige Filmkritiker sehen in ihm ein Level-Up in der amerikanischen Filmgeschichte.

Das Drehbuch stammt aus der Feder von Tennesee Williams, dem Autor des amerikanischen Südens, unter mithilfe von Oscar Saul. Es basiert auf Williams’ eigenem Theaterstück, welches nicht nur ein Welterfolg auf der Bühne wurde, sondern seinem Autor 1948 auch den Pulitzerpreis einbrachte.

Nach dem Erfolg des Theaterstückes am New Yorker Broadway, dort bereits unter Regie von Elia Kazan inszeniert und uraufgeführt, entschied man sich in Hollywood eine Filmversion zu wagen. Besonders großes Interesse nach einer Inszenierung auf Leinwand hatte Produzent Jack Warner – ein Beweis für sein Gespür des Zeitgeistes. Doch nicht nur Warner fürchtete die Zensur, denn das Stück enthielt ein bis dato ungewöhnlich hohes Maß an psychologischer Gewalt und Grausamkeit – eine in Hollywood meist umgangene Form des Realismus in der Darstellung amerikanischer Gesellschaft. Und obwohl die Zensurbehörde bereits das Drehbuch um einige „verruchte“ Szenen verkleinert hatte, haben es Kazan und Warner Bros. dennoch geschafft ein absolutes Meisterwerk zu erschaffen – dem Theaterstück in seiner Wirkung absolut ebenbürtig.

Der Film dreht sich um die „ehemalige“ Südstaatenschönheit Blanche DuBois, die, nach dem Verlust von Erbe und Familiensitz, halb gebrochen, halb entehrt, nach New Orleans reist, um dort bei ihrer Schwester Stella und deren Ehemann Stanley abzusteigen. Doch sie versucht den beiden das eigene Scheitern zu verheimlichen und so prallen in der engen und kargen Wohnung die Welten aufeinander: Blanche, die krampfhaft versucht ihre einstmals vornehme und kultivierte Fassade aufrecht zu erhalten reizt den polnischen Arbeitersohn Stanley ins Maßlose – zudem denkt dieser, dass Blanche ihnen das Erbe vorenthält und versucht deshalb Maske und Illusionen seiner Schwägerin zu zerstören. Der nun beginnende Psychokrieg zwischen den beiden trägt zunehmend Züge des Klassenkampfes. Wir sehen, wie zwei Menschen beginnen sich zu hassen: Er ist ungehobelt, verschwitzt, laut und cholerisch; Sie ist kühl, distanziert, manierlich und neurotisch. Und während sich die große Katastrophe in diesem Katz- und Mausspiel anbahnt, müssen wir auch noch die subtile sexuelle Abhängigkeit bemerken, in der Stanley seine eigene Frau, Stella, fesselt – ein sehr mutiger Einblick, vor allem 1951.

Die Hauptrollen übernahmen Vivien Leigh (die dafür den Oscar als beste Hauptdarstellerin gewann) und Marlon Brando: Beide spielten ihre Rollen bereits auf der Bühne (aber nicht gemeinsam). Brando gelang mit diesem Film der endgültige Durchbruch und er spielt seine Figur (Stanley) mit irritierender Willensstärke – dadurch verhalf er der Schauspieltechnik des Method Acting und dem 1947 gegründeten Actors Studio zu Weltruhm und beeinflusste ganze Generationen von Schauspielern. Auch Kim Hunter als Stella und Karl Malden als Harold Mitchell hatten mit ihren Rollen bereits Erfahrung auf der Bühne gesammelt und erhielten beide, völlig verdient, den Oscars als beste Nebendarsteller.
Erwähnt sein müssen außerdem die saubere und „Theaternahe“ Kameraführung von Meister Harry Stradling Sr. und die exzellente, jazz-orientierte Musik von Alex North.

Endstation Sehnsucht ist kein Bilderrausch – er ist Schauspielerkino der Extraklasse, ein ziemlich verstörender Beitrag zum Thema „Mann und Frau“ und ein Film der seinem Zuschauer in einem unvorbereiteten Moment voll in die Magengrube schlägt.

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