Durch das Schlüsselloch

Filme bieten der menschlichen Psyche die Befriedigung einer uralten Versuchung: Zusehen ohne gesehen zu werden.

Als wir Kinder waren wollten wir zu Weihnachten durch das Schlüsselloch schauen um einen Blick auf die Geschenke zu erhaschen; als wir Teenager waren wollten wir einen Blick auf die Nachbarstochter (oder den Nachbarsjungen) werfen und als wir dann erwachsen wurden – was hätten wir nicht dafür gegeben andere (wenn nicht gar unsere Freunde) zu belauschen um so zu erfahren wie sie über uns denken.

All diese neugierigen Gedanken werden in Filmen wieder und wieder durchgespielt, denn Filme lassen uns zuschauen wo wir sonst vielleicht nicht dürften. Was wir sehen mag eine Illusion sein, doch was denkt unser Auge darüber?

Als Luis Buñuel (mexikanischer Regisseur) sagte: „Ich verlange vom Film, dass er mir etwas aufdeckt“, traf er den Nagel auf den Kopf.

Filme enthüllen Dinge die man sonst nicht sieht: Wir können Menschen in Situationen beobachten, die gewalttätig, grotesk oder intim sind und sogar aus diesen lernen! In solchen Momenten haben Filme etwas von Gedankenspielen und die Art von Film die wir gerne gucken zeigt uns ganz persönlich welche Geheimnisse uns reizen und wo uns die eigene Neugier hinzieht.

Alfred Hitchcock drehte mit seinem Film „Das Fenster zum Hof“ (Rear Window, USA, 1954) ein psychologisches Lehrstück zu diesem Thema. Ein Fotograf (!) wird wegen eines Arbeitsunfalls für kurze Zeit an den Rollstuhl gefesselt: es ist Sommer, es ist heiß, er hat nichts zu tun und starrt in seinen Hinterhof. Irgendwann fängt er an die Zusammenhänge all dieser verschiedenen, von ihm beobachteten, Leben zu deuten und glaubt/hofft (genau wie der Zuschauer) schließlich gar einen Mord aufgedeckt zu haben. Hitchcock zeigt uns durch das Verhalten seiner Hauptfigur die Konsequenzen der menschlichen Neugier aber er zeigt uns auch, dass wir alle, die wir diesen Film sehen, uns nicht besser nennen können, denn wir wollen zugucken und zwar aus sicherer Distanz.

Das Bild eines Menschen, der sich in einem Film entkleidet macht dies alles besonders deutlich: wir sehen genau hin, von Anfang bis zum Ende, in fester Erwartung der Enthüllung, als Sinnbild des aufgedeckten Geheimnisses.

 

PS: (Zwei modernere aber nicht unbedingt bessere Varianten dieses Themas: Disturbia“, USA, 2007 und „One Hour Photo“, USA, 2002)

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