Menschliche Träume im Film darzustellen zählt zweifellos zu den schwierigsten und doch interessantesten Möglichkeiten des Mediums. Im Jahre 1945 versuchten sich zwei ganz Große dieser Thematik anzunehmen: Alfred Hitchcock und Salvador Dalí.
In „Spellbound“ geht es, ohne zu viel zu verraten, um die Psychoanalyse nach Freud, an welcher Hitchcock schon seit längerem großes Interesse hatte. Der Film spielt im Milieu von Psychologen, -analysten und Insassen einer Heilanstalt und ist alles in allem einer von Hitchcocks schwächeren Werken, wenn er auch mit einigen wirklich großartigen Momenten aufwarten kann. Einer davon ist die berüchtigte Traumsequenz für welche Hitchcock, Entgegen der Überzeugung von Produzent David O. Selznick, niemand geringeren als Salvador Dalí nach Hollywood beordern ließ! Und Dalí kam!
Später sagte Hitchcock: „Selznick glaubte, ich wollte Dalí nur aus Gründen der Publicity (…) Das war nicht wahr. Ich meinte, falls ich Traumsequenzen haben würde, dann sollten sie lebhaft sein. Ich glaube nicht, dass wir auf den klassischen Unschärfe-Effekt zurückgreifen sollten, den man bekam, indem man Vaseline rund um die Linse schmierte. Was ich wirklich tun wollte, was sie aber wegen der Kosten nicht machen wollten, war, die Traumsequenzen auf dem Studiogelände bei hellem Sonnenlicht zu drehen…Ich brauchte Dalí wegen seiner Zeichenkunst. Ich wollte die Träume mit großer visueller Schärfe und Klarheit gestalten, schärfer als der Film selbst…Chirico (Giorgio de Chirico, der italienische Maler) besitzt dieselbe Qualität, die langen Schatten, die unendlichen Entfernungen, die zusammenlaufenden perspektivischen Linien.“ 1
Von September bis Mitte Oktober verbrachten die beiden ihre Zeit damit eben jene Traumsequenz zu entwerfen: Dalí fertigte über hundert Sketche und fünf Ölbilder an und Produzent David O. Selznick standen zunehmend die Schweißperlen auf der Stirn – angesichts des Ausmaßes (und der damit einhergehenden Kosten) welche die Szene nun annahm. Auch Hitchcock musste letztlich den Befürchtungen Selznicks zustimmen – die Sequenz war zu lang und so wurde sie gekürzt.
Ob das richtig oder fahrlässig war bleibt wohl ewig ungeklärt. Was im Film zu sehen ist bleibt dennoch beeindruckend – bis heute; und ist außerdem für Dalí-Jünger ein ganz spezielles Erlebnis.
Die Hauptdarstellerin des Films, Ingrid Bergman bemerkte später einmal: „Sie [die Traumsequenz, Anm. der Redaktion] war viel länger und viel interessanter. Man hätte sie einem Museum geben können. Der fertige Film enthielt diese komplizierten Aufnahmen nicht, in denen ich im Traum des Mannes zu einer Gipsstatue werde (was bedeutete, das wir rückwärts drehten, wie ich aus der Gipsstatue ausbreche). Es gab viele wunderbare Dinge darin, aber sie entschieden, alles auf eine oder zwei Minuten zusammenzuschneiden, statt die 20-Minuten-Sequenz [!!!, Anm. der Redaktion] zu benutzen, an der wir so hart gearbeitet hatten. Es war eine Schande. Es hätte wirklich sensationell sein können.“2
Amen.
1 Donald Spoto: Die dunkle Seite des Genies. Piper Verlag GmbH, München, 1983
2 Donald Spoto: Die dunkle Seite des Genies. Piper Verlag GmbH, München, 1983